Auf Langfahrt zählt jede Entscheidung — und die Wahl der richtigen Rettungsweste gehört zu den grundlegendsten. In den letzten Jahren habe ich verschiedene Modelle gefahren, im Alltag, bei Manövertraining und vor allem auf mehrwöchigen Überfahrten. Für diesen Praxistest habe ich zwei häufig empfohlene Westentypen intensiv verglichen: Crewsaver (insbesondere das Modell "Revolution/Pro") und Spinlock (vor allem "Deckvest" + AUTO-Inflator-Optionen). Ich beschreibe hier, wie sich beide in realen Situationen bewährt haben — bei rauer See, nachts und über lange Zeiträume.
Warum der Vergleich relevant ist
Viele Diskussionen drehen sich um Komfort versus Sicherheit. Eine Weste, die man nicht trägt, nützt nichts. Auf Langfahrt kommen zusätzliche Kriterien hinzu: Tragekomfort über viele Stunden, Bewegungsfreiheit beim Segeln, Belüftung in warmen Revieren, Haltbarkeit bei Dauergebrauch und Zuverlässigkeit der Aufblasmechanik. Mir war wichtig, nicht nur Labordaten zu vergleichen, sondern echte Langfahrt-Erfahrungen einzubringen: Salzwasser, Spritzwasser, Schwitzen, An- und Ablegen, MOB-Drills bei Nacht und das regelmäßige Warten an Bord.
Erster Eindruck: Material, Verarbeitung und Anprobe
Beide Hersteller liefern hochwertige Verarbeitung, aber mit unterschiedlichen Prioritäten. Die Crewsaver-Modelle wirken robust, mit etwas dickerem Neopren/Schaumstoff und einer sehr stabilen Haptik. Die Spinlock Deckvest ist schlanker, leichter und deutlich auf Bewegungsfreiheit getrimmt — fast wie ein eng anliegendes Gilet.
- Passform: Spinlock sitzt körpernah und verrutscht kaum beim Reffen oder Klettern am Mast. Crewsaver bietet mehr Polsterung, was bei Kälte angenehmer ist, kann aber in heißen Revieren wärmer wirken.
- Einstellbarkeit: Beide bieten intuitive Gurtsysteme. Die Spinlock hat oft einen zentralen Frontreißverschluss mit Klett-Überzug plus Seiteinstellungen; Crewsaver nutzt solide Schnellverschlüsse und breite Träger, die sich auch mit dicken Handschuhen leicht bedienen lassen.
- Bewegungsfreiheit: Klarer Punkt für Spinlock bei aktiven Manövern. Crewsaver fühlt sich etwas einschränkender an, ohne jedoch die Funktion einzuschränken.
Auftrieb und Rettungseigenschaften
Auf dem Papier bieten beide Marken ausreichenden Auftrieb nach internationalen Normen. In der Praxis ist es wichtig, wie die Weste das Gesicht über Wasser hält und ob sie eine sofort stabilisierende Rückenlage unterstützt.
- Crewsaver: Durch das Volumen und die Form wird der Kopf sehr gut nach hinten gedreht — besonders bei voll aufgeblasener Weste. Das gibt Vertrauen in kühlen, unruhigen Bedingungen.
- Spinlock: Moderne Deckvest-Modelle halten ebenfalls die Atemwege frei, arbeiten aber etwas aktiver: Bei starker Bewegung kann die Lage minimal variieren, ohne kritisch zu sein. Die Kombination mit einem Sprayhood/Beckengurt verbessert die Position deutlich.
Inflationsmechanik: manuell, automatisch, kombinierbar
Ein Kernpunkt bei Langfahrt ist die Wahl zwischen manueller, automatischer oder kombinierter Auslösung. Beide Hersteller bieten zuverlässige Mechanismen — aber unterschiedliche Philosophie.
- Crewsaver: Oft mit starken Co2-Kartuschen und mechanischem Zug. Die Auslösemechanik ist robust, weniger anfällig für Fehlzündungen bei Spritzwasser, vorausgesetzt, die Wartung stimmt.
- Spinlock: Fokus auf modulare Systeme: Automatikmodule sind gut integriert, mit klarer Service-Historie. Spinlock bietet auch einfach zugängliche Ersatzteile, was auf Langfahrt praktisch ist.
In der Praxis habe ich bei längerem Einsatz die Kombination geschätzt: automatische Auslösung als Backup, aber die Möglichkeit, manuell zu zünden — besonders nachts, wenn Fehlalarme das Boot wecken können.
Nacht- und MOB-Szenarien
Ein Man-Overboard-Szenario im Dunkeln ist der ultimative Härtetest. Ich habe mehrere drills nachts gefahren, inklusive Einsatz von Rettungsleuchten, Lichtstabs und der Notpfeife.
- Sichtbarkeit: Beide Westen haben reflektierende Flächen und Befestigungspunkte für Licht. Crewsaver bietet oft größere reflektierende Bereiche; Spinlock punktet mit niedrig angebrachtem Lumineszenz-Material, das bei Wellenbewegung auffällt.
- LED-/Lichtintegration: Spinlock hat clever positionierte Taschen/Clips für persönliche Leuchten. Bei Crewsaver müssen Leuchte und Lichtstab manchmal besser fixiert werden, damit sie bei Bewegung nicht verschoben werden.
- Bergung: Gliedertragegriffe und Haltegurte: Crewsaver hat oft massivere Griffe, die beim Hieven mit Gurtbergen angenehmer sind. Spinlock ist leicht zu greifen, aber bei schwerer Hebung bevorzuge ich Crewsaver.
Langzeitnutzung: Komfort, Pflege und Haltbarkeit
Auf einer Überfahrt von mehreren Wochen wird sichtbar, wie sehr Materialwahl und Design im Alltag zählen.
- Komfort über Stunden: Spinlock gewinnt bei heißen Klimazonen durch bessere Belüftung und weniger Reibung. Crewsaver ist komfortabler bei Kälte und wenn man lange sitzt, z. B. auf Nachtwachen.
- Pflege: Salzwasser belastet jede Weste. Beide Marken benötigen regelmäßiges Spülen mit Süßwasser und Kontrolle der Kartuschen. Ersatzteile und Serviceinfos fand ich bei Spinlock etwas leichter online, Crewsaver hat aber ebenso verlässliche Ersatzlösungen über Händlernetz.
- Haltbarkeit: Beide sind langlebig. Auf 12 Monate intensiver Nutzung zeigte Crewsaver geringfügige Abnutzungen an Nähteinsatzpunkten; Spinlock zeigte vermehrt Scheuerstellen an Schulterbereichen — beides kein Grund zur Sorge, aber bei Langzeitseglern wichtig zu beobachten.
Tabelle: Kurzer Vergleich
| Kriterium | Crewsaver | Spinlock |
|---|---|---|
| Passform | Robust, mehr Polster | Slim, körpernah |
| Bewegungsfreiheit | Gut | Sehr gut |
| Auftrieb & Stabilität | Sehr stabil | Stabil, etwas aktiver |
| Inflationsoptionen | Robust, mechanisch | Modular, automatische Optionen |
| Haltbarkeit | Hoch | Hoch |
| Bestes Einsatzgebiet | Kälte, raues Wetter, schwere Bergung | Aktives Segeln, heiße Revieren, Langfahrt mit Mobilität |
Praktische Tipps zur Auswahl und Nutzung
- Probelauf: Trage die Weste mehrere Stunden an Bord, auch beim Reffen und beim Auf- und Absteigen ins Cockpit, bevor du dich für ein Modell entscheidest.
- Automatik als Backup: Auf Langfahrt setze auf Automatik + manuelle Zündung, damit Fehlfunktion minimiert wird.
- Regelmäßige Wartung: CO2-Kartuschen, Nähte und Auslösepunkte regelmäßig prüfen und dokumentieren — am besten in einem Wartungslog im Bordbuch.
- Beleuchtung beachten: Prüfe, wie leicht Lichtquellen zu befestigen sind und ob die Weste Reflector-/Lichtbefestigungen hat.
- Persönliche Anpassung: Beckengurte, Kopfstützen und Rettungsstricke anpassen — eine gut eingestellte Weste ist Gold wert.
Meine Erfahrung auf mehreren Überfahrten zeigt: Es gibt kein universelles „besser“. Die Entscheidung hängt vom Revier, der Crew-Dynamik und persönlichen Vorlieben ab. Für aktive Crews und warme Regionen tendiere ich zu Spinlock; für rauere Bedingungen und wenn schwere Bergungen erwartet werden, gebe ich Crewsaver den Vorzug.