Routenplanung für eine Atlantiküberquerung: Etappen, Sicherheitspuffer und Crewrotation sinnvoll gestalten

Routenplanung für eine Atlantiküberquerung: Etappen, Sicherheitspuffer und Crewrotation sinnvoll gestalten

Eine Atlantiküberquerung beginnt lange bevor die Leinen los sind. Für mich ist die Routenplanung das Herzstück jeder Blauwasserreise: Sie entscheidet über Sicherheit, Komfort und Erfolg der Überfahrt. In diesem Beitrag teile ich meine Herangehensweise an Etappenplanung, sinnvolle Sicherheitspuffer und wie ich Crewrotationen organisiere, damit Schlafdefizit, Fehler und Stress reduziert werden.

Wie ich eine grobe Route aufbaue

Zuerst skizziere ich die klassische Route: Ausgangshafen – Kurzstopp/Proviant – Zeitpunkt des Auslaufens (Saisonfenster) – Zielgebiet. Je nach Abfahrtspunkt und Ziel (z. B. Kanaren → Karibik oder Azoren → Karibik) variiert die ideale Abfahrtszeit stark. Ich nutze historische Wetterdaten und aktuelle Prognosen (z. B. PredictWind, GRIB-Files) um das optimale Fenster zu finden.

Wichtig ist für mich, die Überfahrt in sinnvolle Etappen zu zerlegen: nicht nur nautisch (Meilen), sondern auch psychosozial (Schlafrhythmus, Verpflegung, Wartung). Ein Beispiel-Schema:

EtappeMeilen (ca.)Ziel / Zweck
Start – erste 24–48 h50–150Einlaufen, kritische Systeme prüfen, Crew einwachen
Transat-Kern1.000–2.500Hauptfahrt; Rhythmus etablieren, Notfallmanagement
Annäherung/Ansteuerung50–200Ansteuerung Zielgebiet, Hafenwahl, Zoll

Sicherheitspuffer einplanen

Ich plane systematisch Puffer ein — zeitlich, witterungsbezogen und in Bezug auf Ressourcen:

  • Zeitlicher Puffer: Ich rechne immer mit 10–20 % mehr Zeit als die reine ETA-Berechnung. Gründe: Gegenwind, Umwege bei hohen Wellen, technische Probleme.
  • Wetterpuffer: Bei Atlantiküberquerungen kann sich ein Tief rasch entwickeln. Deshalb halte ich mehrere Alternativrouten bereit (mehr südlich: Schwachwindzone vermeiden, mehr nördlich: geringere Hurrikangebiete außerhalb der Saison).
  • Energie- und Treibstoffpuffer: Solarpaneele, Windgenerator und ein konservativer Dieselvorrat sind für mich Pflicht. Ich plane mindestens 20–30 % Reserve ein.
  • Materialpuffer: Ersatzteile (Zündkerzen, Riemen, Impeller, Sicherungen), Ersatzinstrumente und ein gut ausgestattetes Werkzeugset sind standardmäßig an Bord.

Crewrotationen und Wachsysteme

Die richtige Wachorganisation ist entscheidend, um Ermüdung zu vermeiden. Ich habe mit verschiedenen Systemen gearbeitet und favorisiere für Atlantiküberquerungen zwei Varianten je nach Crewgröße:

  • Bei 2 Personen: 3–4 Stunden wach / 3–4 Stunden Schlaf (z. B. 4/4). Das ist zwar hart, minimiert aber Ermüdungsfehler, wenn beide ausgeruht sind. Wichtig: bewusst lange Erholungsphasen nach längeren Wachschichten.
  • Bei 3–6 Personen: 3/3 oder 4/4 mit Rotationsplan. Bei vier Personen funktioniert ein 2-On/2-Off-Modell gut (zwei Wachen, zwei schlafen). Größere Crews können 3-Turn-Systeme nutzen (8 Stunden geteilt), aber diese führen oft zu weniger echter Erholung.

Meine festen Regeln bei Wachwechsel:

  • Wachübergabe schriftlich im Log, kurze verbale Übergabe (aktueller Kurs, Wind, anstehende Manöver, offene Probleme).
  • Kein Wachwechsel während komplexer Manöver oder in schlechter Sicht. Wer übernimmt, kommt zum nächsten sicheren Zeitpunkt.
  • Ruhiges Aufwachen: Kaffee/Brühe, kurze körperliche Aktivierung, Handschuhe anziehen und Blick über Sensorik + visuellen Horizont.

Verpflegung und Energiehaushalt

Auf langen Strecken zahlt sich einfache, nahrhafte und schnell zubereitete Kost aus. Ich plane pro Person ca. 2.500–3.500 kcal/Tag, abhängig von Aktivität und Wetter. Bewährt haben sich:

  • Frühstück: Haferflocken mit Trockenfrüchten oder Müsli – schnell und nahrhaft.
  • Mittag/Abend: Eintöpfe in Dosen oder Beuteln, vakuumierte Mahlzeiten, Pastagerichte. Ich teste oft Ready-to-Eat-Produkte von Marken wie Ortlieb oder Freezer-Meals für Segler.
  • Snacks: Nüsse, Riegel, Schokolade, Trockenfrüchte für Wachen.

Wasser: Ich kalkuliere mind. 3 Liter Trinkwasser pro Person/Tag plus Reserve für Kochen. Entsalzer an Bord (z. B. Katadyn) geben Unabhängigkeit; halte aber die Filter- und Membranreserven bereit.

Wetterrouting und Entscheidungsfindung

Ich kombiniere mehrere Informationsquellen: Satelliten-GRIBs, Wetterrouting-Dienste (PredictWind, Windy + Routing), und bei Bedarf professionelle Wetterberatung. Meine Entscheidungen basieren auf:

  • Trend vs. kurzfristiger Forecast: Bei großer Differenz sichere Route wählen.
  • Windfenster nutzen: Beginn der Überfahrt oft abends/nachts sinnvoll (weniger Konvergenz), abhängig von lokalen Bedingungen.
  • Hurrikansaison: Keine Überquerung durch koordinaten risikoreicher Monate. Wenn in Randmonaten, halte ich Alternativhäfen und Ausweichstrategien bereit.

Notfallplanung und Übungen

Eine Überquerung ohne Plan für den Ernstfall ist fahrlässig. Ich habe feste Checklisten und mache regelmäßige Drills:

  • Man-Overboard-Drill mindestens einmal pro Woche; Rettungsmanöver und Einsatz der Rettungsweste mit integriertem AIS/EPIRB (z. B. Ocean Signal, ACR).
  • Absetzen der EPIRB und Prozedur für die Sicherung der Yacht.
  • Rettungsinsel-Check und schnelle Zugangspunkte trainieren.
  • Feuerlösch- und Leckageübungen; Zuschneiden einer improvisierten Dichtung und Pumpenbetrieb testen.

Kommunikation und Tracking

Ich nutze mindestens zwei unabhängige Kommunikationswege: eine Satellitentelefon-Lösung (Iridium GO! oder ähnliche) und ein SSB-Funkgerät für Wetterberichte und Notrufe. Zusätzlich aktiviere ich Tracking-Dienste (z. B. Spot oder InReach), damit Freunde/Familie und ggf. Rettungsdienste Positionen einsehen können.

Technische Vorbereitung und Wartungsfenster

Vor Abfahrt geht bei mir die Checkliste durch: Motor, Kühlsystem, Laderegler, Batterien, Hydraulik, Segelzustand, Winschen, Diverses. Während der Überfahrt lege ich feste Wartungsfenster fest (z. B. morgens nach dem Frühstück) für:

  • Kurzinspektion Rigg und Fallen.
  • Elektrik: Ladezustand, Solarpanel-Leistung, Sicherungen.
  • Deck und Takelage: Entsalzung, Tropfkühlung, Roststellenbehandlung.

Psychologie der Crew und Rollenverteilung

Eine Überquerung ist auch Sozialarbeit. Ich verteile Rollen klar: Skipper/Entscheider, Navigator, Techniker, Bordkoch. Trotzdem muss jeder Crewmitglied multifunktional sein. Regelmäßige "Crew-Meetings" (kurz) helfen, Gefühle, Angst oder Müdigkeit anzusprechen. Kleine Rituale (gemeinsames Abendessen, Musik) wirken Wunder für Moral.

Konkretes Beispiel: 2-Personen-Plan von Lanzarote nach Martinique

Als Orientierung habe ich diesen typischen Plan genutzt:

AbschnittDauerKommentare
Auslaufen, letzte Checks0,5 TageFuel, Water, EPIRB prüfen
Anfangsphase2 TageSegeltrim, erste Wachen etablieren
Hauptfahrt15–20 TageKonstanter Rhythmus, tägliche Systemeinsichten
Annäherung & Ansteuerung1–2 TagePositionsfinder, Hafenwahl, Funk.

Ich plane bei solch einer Überfahrt mindestens drei Tage extra als Sicherheitspuffer ein — aus Erfahrung ein realistischer Puffer für Unwägbarkeiten.


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