Radar gehört für mich zu den zuverlässigsten Helfern auf See — besonders bei schlechter Sicht oder in engen Fahrwassern. Trotzdem sehe ich immer wieder, wie falsch interpretiertes Radar mehr Verwirrung stiftet als Klarheit. In diesem Beitrag erkläre ich, wie ich Ziele auf dem Radarschirm identifiziere, Kursabweichungen erkenne und welche Maßnahmen ich ergreife, um Kollisionsrisiken zu minimieren. Die Tipps stammen aus hundertfachen Übungsstunden, Langfahrt-Erfahrungen und dem regelmäßigen Testen verschiedener Geräte (z. B. Raymarine, Simrad, Garmin).
Verstehen, was der Radarschirm wirklich zeigt
Das Wichtigste zuerst: Radar zeigt Echoes — also reflektierte Signale von Objekten. Ein Punkt oder ein Echo ist nicht automatisch ein Schiff: Tonnen, Seezeichen, Wellenkämme, Landmassen und sogar Regen erscheinen auf dem Bildschirm. Ich beginne immer damit, das Umfeld zu kontextualisieren: Was weiß ich aus der Seekarten-App, aus AIS und vom tatsächlichen Sichtfeld?
Praktische Reihenfolge bei der ersten Sichtung eines neuen Targets:
Zielidentifikation: Schiff, Boje oder Wetterzelle?
Für mich gibt es zwei Methoden, die sich gut ergänzen:
Wenn AIS-Daten vorhanden sind, nutze ich sie zur Bestätigung. AIS ist nicht unfehlbar — kleine Boote oder aus-geschaltete Sender tauchen nicht auf — aber die Kombination von Radar und AIS gibt mir ein viel klareres Bild.
Kursabweichungen erkennen (relative Bewegung verstehen)
Ein häufiger Fehler ist, nur den absoluten Kurs auf dem Radar zu betrachten. Wichtiger ist die relative Bewegung — wie sich ein anderes Verkehrsteilnehmer relativ zu mir verhält. Ich nutze dafür zwei einfache Tricks:
Ein praktisches Indiz für Kursabweichung ist, wenn ein Ziel seinen Sektor auf dem Schirm behält (z. B. immer in meinem Bugbereich), aber die Entfernung sich verkürzt — dann sind wir auf Kollisionskurs. Wenn sich der Azimut ändert, läuft das Ziel an mir vorbei.
CPA und TCPA: Zahlen, die man verstehen muss
Moderne Radargeräte mit ARPA/Target-Tracking liefern CPA (Closest Point of Approach) und TCPA (Time to CPA). Ich betrachte diese Werte nicht als absolute Anweisung, sondern als Entscheidungsgrundlage:
| Situations-Typ | Empfohlener CPA | Kommentar |
|---|---|---|
| Enge Reviere / Lotsenfahrwasser | ≥ 0,2 NM | Höhere Vorsicht, frühes Ausweichen planen |
| Offenes Meer bei Sichtmangel | ≥ 0,5–1,0 NM | Je nach gefahrenem Schiffstyp |
| Kleine Freizeityachten unter Motor | ≥ 0,1–0,5 NM | Manövrierfähigkeit beachten |
Diese Zahlen variiere ich je nach Geschwindigkeit, Verkehrsaufkommen und Navigationserfahrung. Wenn das TCPA sehr kurz ist (z. B. < 10 Minuten), erhöhe ich die Wachsamkeit sofort und plane ein sicheres Manöver.
Filter und Einstellungen: So optimiere ich den Schirm
Ein schlecht eingestelltes Radar erzeugt Fehlalarme. Das sind meine Standard-Einstellungen, bevor ich eine längere Passage beginne:
Wichtig: Nach Änderungen an Reichweite oder Gain kurz beobachten — manchmal erscheinen neue Ziele erst nach einer vollen Sweep-Periode.
Manövrierregeln und praxisnahe Maßnahmen
Wenn ich ein Kollisionsrisiko identifiziert habe, gehe ich so vor:
Bei Engstellen oder viel Verkehr neige ich dazu, Konservativität zu wählen: Lieber mehr Abstand als nötig halten.
Tipps für die Praxis: Übungen, Fehler, die ich gemacht habe
Einige Aha-Momente lernte ich auf Törns bei Nacht oder Nebel. Hier ein paar persönliche Lessons Learned:
Wartung und Technik
Ein sauberes Antennenblatt und regelmäßige Software-Updates sind für mich Pflicht. Ich prüfe vor jedem längeren Törn:
Marken wie Raymarine, Simrad oder Garmin bieten inzwischen gute Integrationslösungen (Radar + AIS + Karten). Trotzdem ist menschliches Urteilsvermögen unersetzlich.
Checkliste vor und während der Fahrt (kurz)
Wenn all diese Punkte abgehakt sind, segle ich mit deutlich mehr Ruhe — und mit der Gewissheit, dass ich auf dem Radarschirm nicht nur Punkte, sondern mögliche Risiken erkenne und sicher handele.