Allein zu segeln bedeutet für mich Freiheit — aber auch Verantwortung. Auf vielen Törns habe ich gelernt, dass gutes Rigging, cleveres Schlafmanagement und ein klarer Plan für Man‑overboard‑Situationen den Unterschied zwischen einer gemütlichen Einhand‑Passage und einem ernsten Vorfall ausmachen. In diesem Beitrag teile ich meine erprobten Strategien, praktische Tricks und Ausrüstungs‑Tipps, die mir persönlich geholfen haben, sicherer und entspannter allein unterwegs zu sein.
Rigging: Was wirklich zählt für Einhandsegler
Beim Einhandsegeln entscheidet das Rigging oft über die Handhabung in ruhigen und brenzligen Momenten. Mein Grundsatz: so viel Fernbedienbarkeit wie möglich und so wenige gefährliche Manöver wie nötig.
Wichtige Punkte, die ich an Bord immer im Blick habe:
- Leitungen an Deck: Alle Fallen, Reffs und Strecker an die Pinne or zum Cockpit führen. Ich habe meine Hauptfallen mit selbstrückstellenden Blöcken (z. B. von Harken) und gut dimensionierten Stoppern ausgestattet, damit ich schnell und sicher reffen kann.
- Selbstwendefock vs. Rollgenua: Eine gut eingestellte Rollgenua ist bei Einhandseglern Gold wert. Sie lässt sich leicht bergen und anrollen. Allerdings empfehle ich eine starke Rollmechanik und regelmäßige Kontrolle der Trommel.
- Reff-System: Ich nutze häufig das zweite Reff als Arbeitspferd — es sollte vom Cockpit aus legibel, gut halbar und mit klarer Markierung versehen sein. Eine Lazy‑Jack / Lazybag Kombination erleichtert das Bergen des Grosssegels immens.
- Funktionierende Selbststeuerung: Ein zuverlässiger Autopilot oder Windpilot ist essenziell. Ich hatte schon Ausfälle bei Raymarine und gleichzeitig gute Dienste vom mechanischen Windpilot (z. B. Windpilot Pacific). Doppelte Steuerungsmöglichkeiten schaden nie.
- Preventer & Fall‑Sicherung: Immer eine Preventer‑Leine bereit haben, um unbeabsichtigtes Abfallen bei Starkwind zu verhindern. Jacklines entlang des Decks und ein konfektionierter Sicherheitsgurt sind bei mir Standard.
Praktische Rigging‑Checkliste (Kurzüberblick)
| Ausrüstung | Zweck |
|---|---|
| Jacklines | Sicherer Laufweg am Deck, an dem man sich anclippt |
| Schlauchlose Führungen/Stopper | Fallen und Reffs sicher in Cockpitführung |
| Selbststeuerung (elektr./wind) | Hält Kurs für Nickerchen oder beim Arbeiten |
| Preventer‑System | Verhindert unbeabsichtigtes Abfallen |
| Man‑overboard‑Ausrüstung | Boje, Licht, AIS‑MOB, Wurfschlinge |
Schlafmanagement: Wachen, Nickerchen und Alarmstrategien
Übermüdung ist eine der häufigsten Unfallursachen beim Einhandsegeln. Früher dachte ich, ich bräuchte lange ununterbrochene Nachtphasen — inzwischen arbeite ich mit kurzen, smarten Schlafzyklen und Redundanzen.
Meine Routine auf längeren Strecken:
- Polyphasischer Schlaf: Ich fahre meist mit 20–40 Minuten Powernaps tagsüber und 90–120 Minuten längeren Ruhephasen nachts. Das funktioniert besonders gut in Kombination mit zuverlässiger Selbststeuerung.
- Alarmkaskade: Ich nutze mehrere Alarmsysteme: den Autopilot‑Alarm (wenn Abweichung vom Kurs), ein persönlicher Wecker und eine App (z. B. PredictWind oder spezielle Wach‑Apps). Zusätzlich sind akustische und vibrierende Alarme sinnvoll, falls Kopfhörer oder Musik die Ohren blockieren.
- Visuelle Indikatoren: Eine große Peilmarkierung am Steuerstand, AIS‑Targets auf Multifunktionsdisplay und eine klare Anzeige für Winddrehungen helfen, Veränderungen früh zu erkennen.
- Kaffee & Napping‑Routine: 20 Minuten Powernap, danach starker Kaffee (meine persönliche Methode) und 10 Minuten Bewegung an Deck — das hält mich wach und fokussiert.
Man‑overboard‑Strategien: Prävention, Erkennung, Rückholung
Ein Mann über Bord ist die eindringlichste Situation an Bord — ich habe sie glücklicherweise nie in voller Ernsthaftigkeit erlebt, aber ich habe sie geprobt. Vorbereitung entscheidet.
Prävention:
- Clippen statt Weinerei: Beim Manöver, beim Sprayhood‑Wartung oder nachts an Deck: Immer mit Karabiner am Jackline befestigen.
- Beleuchtung & reflektierende Kleidung: Bei Nacht trage ich eine leuchtende Rettungsweste mit aufgesetztem Licht (z. B. Ocean Signal) und reflektierender Kleidung.
- Sichtbarkeit erhöhen: MOB‑Ball oder Boje mit Flagge sowie die MOB‑AIS‑Funktion am Plotter aktivieren — moderne Geräte wie Garmin, Raymarine oder B&G unterstützen das.
Erkennung:
- AIS‑MOB & PLB: Ein persönliches AIS‑SART oder ein PLB kann sofort ein Signal senden. Ich trage ein AIS‑MOB‑Sender am Rettungsweste‑Draht (z. B. von Ocean Signal oder McMurdo).
- Manuelle Alarmierung: Haben Sie die Taste am Lifebuoy oder den MOB‑Knopf am Plotter, drücken Sie ihn sofort.
Rückholungstechniken (vereinfachte Reihenfolge für Einhand):
- Notstopp & Markierung: Stoppen, Boje werfen, MOB‑AIS aktivieren. Ich bin ein Freund eines schnellen Stopps mit Motor, wenn möglich, um Drift zu minimieren.
- Wenden oder Williamsons‑Manöver: Als Einhandsegler bevorzuge ich oft die Williamson‑Wende (schnell wendend und auf die Position zurückkommend) weil sie relativ steuerbar ist. Bei starkem Wind oder ängstlicher Crew ist eine kontrollierte Runde mit Motor und Heckanker sicherer.
- Verwendung einer MOB‑Boje mit Leine: Eine Boje mit gesammelter Leine erleichtert das Anbringen an der Person. Ich habe auch eine Wurfschnur als Reserve.
- Retrieval‑Hilfen: Ein Rettungstuch oder ein spezielles MOB‑Netz kann helfen, die Person an Bord zu bekommen. Für Einzelne mit geringem Mobilitätsspielraum ist ein Fall‑Davit oder eine Heckleiter nötig.
Praktische Ausrüstungs‑Tipps
- Rettungsweste mit Lifeline & AIS‑Sender: Investiere in eine Veste mit eingebautem AIS‑SART (z. B. Ocean Signal RescueME) — das gibt beim MOB ein zusätzliches Zeitfenster.
- Signallichter und Rauchbojen: Bei Nacht oder Dunst sind automatische MOB‑Lichter Pflicht. Rauchbojen sind für tagaktive Einsätze nützlich.
- Wurfsack & Heaving Line: Klein, leicht, und oft unterschätzt — für schnelle Verbindungen an Deck unverzichtbar.
- Redundante Kommunikation: Satelliten‑Messenger (z. B. Zoleo, Garmin inReach) und UKW mit DSC — im Notfall ist Erreichbarkeit lebenswichtig.
Auf meinen Einhand‑Törns ist Vorbereitung meine beste Freundin: sauberes, durchdachtes Rigging, realistische Schlafrhythmen und ein geübtes Man‑overboard‑Prozedere. Übe diese Manöver regelmäßig — allein üben heißt nicht allein sein, wenn etwas schiefgeht, sondern vorbereitet zu handeln. Wenn du magst, kann ich im nächsten Beitrag anhand eines konkreten Törn‑Beispiels (Nordsee‑Nachttörn vs. Blauwasser‑Passage) detaillierte Checklisten für Rigging und Watch‑Pläne posten.